DAS VERMÄCHTNIS
Murtagh
grinste und zischte: »Thrysta
Vindr!«, woraufhin sich zwischen ihnen ein harter
Luftball bildete, der Eragon einen heftigen Stoß gegen den
Brustkorb versetzte und ihn zehn Meter weit über das Plateau
schleuderte.
Eragon hörte Saphira wütend knurren, als er
rücklings am Boden aufschlug. Vor seinen Augen tanzten rote und
weiße Sterne, dann rollte er sich zusammen und wartete darauf, dass
der Schmerz nachließ. Die Freude darüber, dass Murtagh noch am
Leben war, wurde von den makabren Umständen ihrer Begegnung
hinweggefegt. Er verspürte in sich nur eine brodelnde Mischung aus
Entsetzen, Verwirrung und wildem Zorn.
Murtagh ließ das Schwert sinken und deutete
mit der gepanzerten Hand auf Eragon, die er bis auf den
ausgestreckten Zeigefinger zur Faust geballt hatte. »Du würdest
niemals aufgeben, nicht wahr?«
Ein eisiger Schauer kroch Eragon über den
Rücken, als er die Szene aus seiner Vision während der Floßfahrt
nach Hedarth wiedererkannte: Ein Mann mit
zerbeultem Helm und blutigem Kettenhemd lag im klumpigen Schlamm,
das Gesicht von einem Arm verdeckt. Eine gepanzerte Hand deutete
mit schicksalhafter Endgültigkeit auf den niedergestreckten
Recken...
Vergangenheit und Zukunft hatten sich
vereint. Nun würde sich Eragons Los entscheiden.
Er rappelte sich auf und sagte hustend:
»Murtagh... du lebst? Ich habe doch gesehen, wie die Urgals dich in
den Tunnel hinabzerrten. Ich habe versucht, dich mit der Traumsicht
zu finden, aber bloß Dunkelheit gesehen.«
Murtagh stieß ein heiseres, trauriges Lachen
aus. »Ich habe auch nichts gesehen, als ich dich während meines
Aufenthalts in Urû’baen mit der Traumsicht suchte.«
»Aber du bist doch gestorben!«, rief Eragon völlig verwirrt. »Du bist
in den unterirdischen Gängen von Farthen Dûr gestorben! Arya hat
deine blutigen Kleider im Tunnel gefunden.«
Ein Schatten verdüsterte Murtaghs Züge.
»Nein, ich bin nicht gestorben. Es war das Werk der Zwillinge,
Eragon. Sie haben sich eine Gruppe von Urgals gefügig gemacht und
den Hinterhalt arrangiert, um Ajihad zu töten und mich gefangen zu
nehmen. Dann haben sie mich mit einem Bann belegt, damit ich nicht
fliehen konnte, und mich nach Urû’baen verschleppt.«
Eragon schüttelte den Kopf. Er konnte nicht
begreifen, was geschehen war. »Aber warum hast du dich auf
Galbatorix’ Seite geschlagen? Du hast mir doch gesagt, du würdest
ihn hassen. Du hast gesagt -«
»Pah!« Murtagh lachte erneut und diesmal
schwang in dem Ausbruch ein Anflug von Wahnsinn mit. »Ich habe mich
nicht auf seine Seite geschlagen.
Zuerst hat Galbatorix mich bestraft, weil ich es ihm nicht gedankt
habe, dass er mich als Kind in seine Obhut genommen hat, und weil
ich mich seinem Willen widersetzt habe und fortgelaufen bin.
Anschließend hat er mir alles entlockt, was ich über dich, Saphira
und die Varden wusste.«
»Du hast uns verraten? Ich habe um dich
getrauert und du hast uns verraten?«
»Ich hatte keine andere Wahl.«
»Ajihad hatte Recht damit, dich
einzusperren. Er hätte dich in der Zelle verrotten lassen sollen,
dann wäre das alles nie -«
»Ich hatte keine andere Wahl!«, brüllte
Murtagh. »Und nachdem Dorn bei mir geschlüpft ist, hat Galbatorix
uns beide gezwungen, ihm in der alten Sprache Treue zu schwören.
Wir müssen ihm gehorchen, ob wir wollen oder nicht.«
In Eragon kämpften jetzt Mitleid und
Abscheu. »Du bist geworden wie dein Vater.«
Ein eigenartiger Glanz trat in Murtaghs
Augen. »Nein, nicht wie mein Vater. Ich bin stärker, als Morzan es
je war. Galbatorix hat mir Dinge beigebracht, von denen du nicht
einmal zu träumen wagst … So starke Zaubersprüche, dass die Elfen
sie nicht auszusprechen wagen, feige, wie sie sind! Worte in der
alten Sprache, die vergessen waren, bis Galbatorix sie
wiederentdeckt hat. Worte, um Energie zu manipulieren...
Geheimnisse, furchtbare Geheimnisse, die den Feind zerstören und
einem alle Wünsche erfüllen.«
Eragon dachte an einige von Oromis’
Unterrichtsstunden zurück und erwiderte: »Dinge, die Geheimnisse
bleiben sollten.«
»Wenn sie dir bekannt wären, würdest du
nicht so reden. Brom war ein Schwächling, nichts weiter. Und die
Elfen? Pah! Die verstecken sich doch bloß in ihrem Wald und warten
darauf, dass man sie vernichtet.« Murtaghs Blick wanderte an Eragon
herab. »Du siehst aus wie ein Elf. Hat Islanzadi dir das angetan?«
Als Eragon nicht antwortete, lächelte Murtagh achselzuckend. »Ist
ja auch egal, ich erfahre die Wahrheit ohnehin bald.« Er hielt inne
und schaute stirnrunzelnd gen Osten.
Eragon folgte seinem Blick und sah die
Zwillinge an der Spitze von Galbatorix’ Truppen stehen. Sie
bombardierten die Varden und Zwerge mit grausamen Energiestößen.
Durch die Rauchschwaden konnte man kaum etwas erkennen, aber Eragon
war sich sicher, dass die beiden kahlköpfigen Hexer sich ins
Fäustchen lachten, während sie die Männer niedermetzelten, denen
sie einst feierlich Freundschaft geschworen hatten. Was die
Zwillinge allerdings nicht bemerkten, Eragon und Murtagh jedoch von
ihrem erhöhten Standort aus deutlich sehen konnten, war, dass Roran
sich von der Seite an die beiden Verräter heranpirschte.
Eragons Herz setzte einen Schlag aus, als er
seinen Cousin erkannte. Was tust du da?
Halt dich von ihnen fern! Sie werden dich umbringen!
Gerade als Eragon zu einer Zauberformel
ansetzte, die Roran aus der Gefahrenzone herauskatapultieren würde,
egal um welchen Preis, sagte Murtagh: »Warte! Ich will sehen, was
er anstellt.«
»Warum?«
Ein verbittertes Lächeln huschte über
Murtaghs Gesicht. »Die Zwillinge haben mich bestialisch gefoltert,
als ich ihr Gefangener war.«
Eragon musterte ihn argwöhnisch. »Und du
wirst ihm nichts tun? Du wirst die Zwillinge nicht warnen?«
»Vel Eïnradhin iet ai
Shur’tugal.« Mein Wort als Drachenreiter.
Sie beobachteten gemeinsam, wie Roran sich
hinter einem Leichenberg verschanzte. Eragon hielt die Luft an, als
die Zwillinge in diese Richtung blickten. Einen Moment lang schien
es, als hätten sie ihn gesehen, aber dann wandten sie sich wieder
um und Roran sprang auf. Er ließ seinen Hammer herabsausen und
schlug einem der beiden den Schädel ein. Der andere stolperte über
seinen Gefährten, krümmte sich und stieß einen wortlosen Schrei
aus, als auch er unter Rorans Hammer zusammenbrach. Dann stellte
Roran einen Fuß auf die beiden toten Gegner, schwenkte den Hammer
über dem Kopf und stieß ein gellendes Triumphgeheul aus.
»Und was nun?«, fragte Eragon und wandte
sich vom Schlachtfeld ab. »Wirst du mich umbringen?«
»Natürlich nicht. Galbatorix will dich
lebend.«
»Wozu?«
Murtagh verzog die Lippen. »Das weißt du
nicht? Ha! Das ist ein guter Witz! Es geht nicht um dich, es geht
um sie!« Er deutete auf
Saphira. »Der Drache in Galbatorix’ letztem Ei, dem letzten
Drachenei auf der Welt, ist männlich. Saphira ist der einzige
weibliche Drache, den es gibt. Wenn sie Nachwuchs bekommt, wird sie
die Urmutter einer neuen Generation sein. Begreifst du es jetzt?
Galbatorix will die Drachen nicht ausrotten. Er will Saphira dazu
benutzen, die Drachenreiter wieder auferstehen zu lassen. Er kann
euch nicht töten, keinen von euch beiden, wenn er will, dass seine
Vision wahr wird... Und was das für eine Vision ist, Eragon! Du
solltest ihn hören, wenn er darüber redet, dann würdest du nicht so
schlecht über ihn denken. Ist es denn so schlimm, dass er Alagaësia
unter einem einzigen Banner vereinen möchte, dass er den Grund für
Kriege ausräumen und den Drachenreitern zu neuem Ruhm verhelfen
will?«
»Er war doch
derjenige, der sie alle erst umgebracht hat!«
»Aus gutem Grund«, sagte Murtagh. »Sie waren
alt und fett und unzuverlässig. Die Elfen haben sie beherrscht und
dazu benutzt, die Menschen zu unterwerfen. Man musste sie
entfernen, damit wir noch einmal von vorn anfangen konnten.«
Ein zorniges Funkeln verzerrte Eragons
Gesicht. Er marschierte schwer atmend auf dem Plateau hin und her,
dann deutete er auf das Schlachtfeld und sagte: »Wie kannst du nur
all dieses Leid mit dem Gerede eines Wahnsinnigen rechtfertigen?
Galbatorix hat nichts anderes getan, als Tod und Verderben zu
bringen und immer mehr Macht an sich zu reißen. Er lügt. Er mordet.
Er manipuliert. Das weißt du doch genau! Deshalb hast du es doch
abgelehnt, für ihn zu arbeiten.« Eragon machte eine Pause und
schlug dann einen sanfteren Ton an: »Ich verstehe ja, dass du gegen
deinen Willen handelst und dass du für Hrothgars Tod nicht
verantwortlich bist. Aber du könntest versuchen zu fliehen. Ich bin
mir sicher, Arya und ich könnten die Zauberfesseln entfernen, die
Galbatorix dir angelegt hat... Schließ dich mir an, Murtagh! Du
könntest so viel für die Varden tun. Wenn du auf unserer Seite
stündest, würde man dich lobpreisen und bewundern, anstatt dich zu
verfluchen, zu fürchten und zu hassen.«
Als Murtagh auf sein Schwert hinabstarrte,
hoffte Eragon einen Moment lang, dass er das Angebot annehmen
würde. Doch dann sagte Murtagh mit leiser Stimme: »Du kannst mir
nicht helfen, Eragon. Niemand außer Galbatorix kann uns von unserem
Schwur befreien, und das wird er nie tun... Er kennt unsere wahren
Namen, Eragon... Wir sind für alle Zeiten seine Sklaven.«
Eragon konnte sich eines gewissen
Verständnisses für Murtaghs Lage nicht erwehren. Mit todernster
Stimme sagte er: »Dann lasst mich euch beide töten.«
»Uns töten! Warum sollten wir das
zulassen?«
Eragon wählte seine Worte mit Bedacht: »Weil
es euch von Galbatorix’ Fesseln befreien würde. Und weil es das
Leben von hunderten, wenn nicht tausenden von Menschen retten
würde. Ist das kein ehrenwerter Grund, um zu sterben?«
Murtagh schüttelte den Kopf. »Für dich
vielleicht, aber für mich ist das Leben noch viel zu süß, um
freiwillig daraus zu scheiden. Niemand liegt mir mehr am Herzen als
Dorn oder ich selbst.«
Sosehr er es auch verabscheute - sosehr er
die ganze Situation verabscheute -, Eragon wusste nun, was zu tun
war. Mit einem neuerlichen Angriff auf Murtaghs Geist sprang er
vorwärts und hechtete auf ihn zu, um ihm sein Schwert ins Herz zu
rammen.
»Letta!«, rief Murtagh.
Eragon schlug auf dem Boden auf, als sich
ihm unsichtbare Fesseln um Arme und Beine legten und ihn
bewegungsunfähig machten. Rechts von ihm stieß Saphira einen
Feuerball aus und sprang auf Murtagh zu wie eine Katze, die nach
einer Maus schnappt.
»Rïsa!«, befahl Murtagh und streckte ihr eine
klauenartige Hand entgegen, als wollte er sie fangen.
Saphira jaulte überrascht auf, als Murtaghs
Zauber sie mitten in der Luft festhielt. Sosehr sie sich auch
drehte und wand, sie konnte weder landen noch davonfliegen.
Wie kann er noch ein
Mensch sein und doch über solche Kräfte verfügen?, fragte
sich Eragon. Selbst mit meinen neuen
Fähigkeiten würde mich ein solches Kunststück so schwächen, dass
ich nicht mehr laufen könnte. Er rief sich ins
Gedächtnis, mit welchen Worten er Oromis’ Zauber begegnet war, und
sagte: »Brakka du Vanyalí sem huildar
Saphira un eka!«
Murtagh versuchte nicht, ihn aufzuhalten,
sondern starrte ihn nur stumpf an, als hielte er Eragons Widerstand
für eine lästige Kinderei. Eragon fletschte die Zähne und
verdoppelte seine Anstrengung. Seine Hände wurden kalt, seine
Knochen schmerzten, und sein Puls verlangsamte sich, während die
Magie seine Lebenskraft aufzehrte. Ohne dass er sie hätte darum
bitten müssen, kam Saphira ihm zu Hilfe und verschaffte ihm Zugang
zu den immensen Kraftreserven in ihrem Körper.
Fünf Sekunden verstrichen …
Zwanzig Sekunden …
Eine dicke Ader pulsierte an Murtaghs
Hals.
Eine Minute …
Anderthalb Minuten... Unkontrollierte
Zuckungen schüttelten Eragons Körper. Seine Leisten und Kniesehnen
flatterten, und hätte er sich bewegen können, so wären ihm die
Beine eingeknickt.
Zwei Minuten vergingen …
Schließlich musste Eragon die Magie lösen,
da er sonst das Bewusstsein verloren hätte - und zwar endgültig.
Völlig entkräftet sackte er in sich zusammen.
Er hatte schon vorher Angst gehabt, aber nur
vor einem möglichen Versagen. Nun aber hatte er Angst, weil er
nicht wusste, wozu Murtagh fähig war.
»Du kannst dich nicht mit mir messen,
Eragon«, sagte Murtagh. »Keiner kann das, außer Galbatorix.« Er
trat auf Eragon zu und drückte ihm die Schwertspitze an die Kehle.
Eragon widerstand dem Impuls zurückzuzucken. »Es wäre einfach, dich
nach Urû’baen zu bringen.«
Eragon schaute ihm tief in die Augen. »Tu
das nicht! Lass mich gehen!«
»Du hast gerade versucht, mich
umzubringen.«
»Das hättest du an meiner Stelle auch
getan.« Als Murtagh nichts erwiderte, sagte Eragon: »Wir waren
einmal Freunde. Wir haben gemeinsam gekämpft. Galbatorix kann
deinen Geist nicht so sehr vergiftet haben, dass du das alles
vergessen hast... Wenn du das tust, Murtagh, dann bist du für alle
Zeiten verloren.«
Eine lange Minute verstrich. Blut sickerte
aus der Stelle, wo die Schwertspitze ihm die Haut aufgeritzt hatte.
Saphira peitschte in hilfloser Wut mit dem Schwanz hin und
her.
Schließlich sagte Murtagh: »Ich sollte
versuchen, dich zu fangen, so lautete mein Auftrag.« Er überlegte.
»Nun, ich habe es versucht... Sieh zu, dass wir uns nie wieder über
den Weg laufen! Galbatorix wird mich zusätzliche Schwüre in der
alten Sprache ablegen lassen, die verhindern werden, dass du bei
unserer nächsten Begegnung erneut ungeschoren davonkommst.« Er ließ
das Schwert sinken.
»Du tust das Richtige«, sagte Eragon. Er
versuchte, einen Schritt zurückzutreten, wurde aber noch immer
festgehalten.
»Vielleicht. Aber bevor ich dich gehen
lasse...« Murtagh nahm ihm Zar’roc aus der Hand und schnallte die
Schwertscheide von Beloths Gürtel los. »Wenn ich wie mein Vater
geworden bin, dann möchte ich auch sein Schwert haben. Mein Drache
heißt Dorn. Und genau das wird er
all unseren Feinden sein, ein Dorn im Auge. Da ist es nur recht und
billig, dass ich auch das Schwert Kummertrage. Kummer und Dorn, das passt doch zusammen. Außerdem hätte
Zar’roc von vornherein an Morzans ältesten Sohn gehen sollen und
nicht an dessen jüngeren Bruder. Es ist mein rechtmäßiges
Eigentum.«
Ein eisiger Stein bildete sich in Eragons
Magen. Das kann nicht sein!
Auf Murtaghs Gesicht breitete sich ein
grausames Lächeln aus. »Ich habe dir nie erzählt, wie meine Mutter
hieß. Und du hast mir auch nie den Namen deiner Mutter genannt.
Nun, ich verrate ihn dir jetzt: Selena. Selena war unsere Mutter
und Morzan unser Vater. Die Zwillinge haben die Verbindung
entdeckt, als sie in deinem Kopf herumgewühlt haben. Galbatorix hat
sich außerordentlich interessiert gezeigt, als er es erfuhr.«
»Du lügst!«, rief Eragon. Er konnte den
Gedanken nicht ertragen, Morzans Sohn zu sein. Hat Brom das gewusst? Hat es Oromis gewusst? Warum haben
sie es mir nicht gesagt? Dann fiel ihm ein, dass Angela
ihm prophezeit hatte, jemand aus seiner Familie würde ihn
verraten. Sie hatte Recht
behalten.
Murtagh schüttelte bloß den Kopf, dann legte
er die Lippen an Eragons Ohr und flüsterte: »Du und ich, wir sind
ein und derselbe, Eragon. Jeder ist das Spiegelbild des anderen.
Das kannst du nicht abstreiten.«
»Du täuschst dich«, knurrte Eragon und
kämpfte gegen die unsichtbaren Fesseln an. »Wir sind nicht
derselbe. Ich habe keine Narbe mehr am Rücken.«
Murtagh zuckte zusammen, als hätte er sich
geschnitten. Seine Züge wurden kalt und hart. Er hob Zar’roc und
hielt das Schwert aufrecht vor der Brust. »Dann ist es eben so. Ich
nehme mein Vermächtnis von dir, Bruder. Leb wohl.«
Dann hob er den Helm vom Boden auf und stieg
auf seinen Drachen. Er schaute kein einziges Mal zu Eragon zurück,
als Dorn in die Hocke ging, die Flügel ausbreitete und in Richtung
Norden vom Plateau abhob. Erst als der Drache hinterm Horizont
verschwand, löste sich die Magie, die Eragon und Saphira gefangen
gehalten hatte.
Saphiras Klauen schlugen klackend auf dem
Felsboden auf, als sie landete. Sie kroch zu Eragon hinüber und
stupste mit der Schnauze seinen Arm an. Alles in Ordnung, Kleiner?
Ja. Aber
nichts war in Ordnung und sie wusste es.
Eragon trat an den Rand des Plateaus und
blickte auf die brennenden Steppen und den Ausgang der Dinge
herab.
Die Schlacht war vorüber. Nach dem Tod der
Zwillinge hatten die Varden und Zwerge den verlorenen Boden wieder
gutgemacht und die verwirrten Soldaten in den Fluss getrieben oder
sie dorthin zurückgejagt, wo sie hergekommen waren.
Obwohl seine Streitmacht noch immer zu
großen Teilen intakt war, hatte das Imperium zum Rückzug geblasen,
zweifellos, um sich neu zu formieren und einen zweiten Angriff auf
Surda vorzubereiten. Sie hatten Berge von verrenkten Leichnamen
zurückgelassen, genügend Menschen und Zwerge, um eine ganze Stadt
zu besiedeln. Dicke schwarze Rauchfahnen quollen von den Toten
empor, die in den schwelenden Erdschächten versunken waren.
Nun, da das Gemetzel vorüber war, senkte
sich der riesige Vogelschwarm wie ein Leichentuch über das
Schlachtfeld.
Eragon schloss die Augen. Tränen quollen
unter den Lidern hervor.
Sie hatten zwar gewonnen, er selbst aber
hatte verloren.